Der Verlust der Menschlichkeit: Wo bleibt die Nächstenliebe in der Politik?
Es lässt sich nicht mehr darüber streiten, dass die soziale Kälte in der Politik der Regierung beängstigende Züge angenommen hat. Bisherige Maßnahmen fielen alle zu Lasten von ArbeitnehmerInnen und ihren Familien und zu Gunsten von Industrie und Wohlhabenden aus. Sie lassen jede Form von Solidarität und Nächstenliebe schmerzlich vermissen. Diese Politik wird vielmehr begleitet von einer Ideologie der Ungleichheit, in der selbst jenen, denen das Leben besonders schwer zugesetzt hat, die Schuld für ihr Leid selbst übertragen wird. Das ist für eine ehemals auch christlich-soziale Partei wie die ÖVP durchaus beachtlich.
Nicht grundlos warnen auch die Direktoren der österreichischen Caritas in einer Erklärung zur Kürzung der Mindestsicherung durch die Regierung „eindringlich vor einer schrittweisen Demontage des Sozialstaates“. Es wird Neid gegen BezieherInnen von Notstandshilfe oder Mindestsicherung, ja selbst gegen im Ausland lebende Kinder von Pflegerinnen geschürt. Es wird gehetzt gegen Flüchtlinge und MuslimInnen. Es wird gespalten und es wird nach unten getreten. Getönt wird dazu „Leistung muss sich lohnen“und „auch von 150 Euro pro Monat kann man leben“.
Erfolg und Nutzen als neues Leitbild?
In Deutschland wo Sozialabbau durch Hartz IV und der Agenda 2010 bereits zu Beginn des Jahrtausends an der Tagesordnung stand, wurde zu diesem Phänomen der gruppenbezogenen Abwertung von Menschen bereits intensiv geforscht. Mit dem alarmierenden Ergebnis, dass sich laut dem Studienleiter Wilhelm Heitmeyer schon damals „zivilisierte, tolerante, differenzierte Einstellungen gerade in höheren Einkommensgruppen in unzivilisierte, intolerante – verrohte – Einstellungen verwandelten und schwachen Gruppen ihre Unterstützung verweigern wurde.“
So waren 2011 über ein Drittel der Deutschen der Meinung, dass bestimmte Menschen „nützlicher“ wären als andere und fast 30 Prozent fanden, dass die Gesellschaft sich „weniger nützliche Menschen nicht leisten kann“. Zudem unterstellten 47 Prozent, dass die meisten Arbeitslosen nicht wirklich daran interessiert seien, eine neue Arbeit zu finden und 59 Prozent fänden es gar empörend, dass Langzeitarbeitslose auf Kosten der Gesellschaft überleben konnten. Als Ursache für den beängstigenden Wandel wurde identifiziert, dass es den Wohlhabenden um die Sicherung der eigenen Privilegien durch die Abwertung vermeintlich „Nutzloser“ ging.
Politik der Verrohung
Eine weitere traurige Erkenntnis zum Wandel in unserem gesellschaftlichen Klima liefert eine aktuelle Umfrage des Spiegel, wonach 68 Prozent der Deutschen eine deutliche Verrohung in der politischen Debatte sehen. Auf die Frage „Gibt es aktuell einen Rechtsruck in der deutschen Politik?“ antworteten 67 Prozent: „Ja, den gibt es.“ In Österreich, wo die Grenzen des Sagbaren ebenso wie des Machbaren noch viel weiter verschoben wurde, kann das Ergebnis nicht weniger fatal ausfallen.
Spätestens jetzt müsste also der Zeitpunkt erreicht sein, an dem sich Christlich-Soziale mit Herz und sozialem Gewissen, auch in der ÖVP gegen den menschenfeindlichen Kurs ihrer Parteiführung erheben müssten. Sie sollten es Christian Konrad, der Bischofskonferenz oder Erhard Busek gleich tun. Denn auch wer diese unsoziale Politik der Regierung in der ÖVP noch weiter stumm mitträgt, macht sich mitschuldig und sollte sich eingehend mit dem eigenen Gewissen auseinandersetzen.