Frauen: Beschäftigte zweiter Klasse? Wieso wir noch immer benachteiligt werden und was wir dagegen machen müssen

Die Daten sprechen eine deutliche Sprache: Noch immer verdienen Frauen in Deutschland weniger als Männer. Noch immer sind ihre Renten im Schnitt nur etwa halb so hoch. Und noch immer bleibt ihnen zu oft der Zugang zu Karrieren verwehrt. Das sind keine Einzelschicksale oder Zufall, es ist strukturell bedingt und hat System. Nichts, was man nicht ändern könnte – wenn man sich damit konfrontiert und an die Umsetzung macht.

Für die exakt gleiche Tätigkeit erhalten Frauen laut Statistischem Bundesamt rund 6 Prozent weniger Gehalt als Männer. Wenn man berücksichtigt, dass Frauen überdurchschnittlich oft in schlecht bezahlten aber gesellschaftlich extrem wertvollen Branchen tätig sind, kommt man sogar auf rund 21 Prozent an Gehaltsunterschied. Ein Drittel von dieser Differenz lässt sich gar nicht erklären, es entspricht dem bereinigten „Gender Pay Gap“, das bedeutet es gibt keine andere Erklärung für den Verdienstunterschied, als den, dass sie Frauen sind.  An der Leistung kann es hier definitiv nicht mangeln – woran dann?

Ein weiteres, weibliches Massenphänomen ist die „atpyische Beschäftigung“, also die befristete Arbeit oder eine auf Teilzeitbasis, Leiharbeit oder Minijobs, die mit 40 Prozent auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren liegt. Frauen sind davon zweieinhalb Mal so oft betroffen wie Männer. Aber auch bei hoch qualifizierten Frauen kann man die Ungleichbehandlung auf einen Blick erkennen: So liegt der Anteil der HochschulabsolventInnen bereits bei über 50 Prozent, ihr Anteil in den Führungsetagen ist jedoch mit knapp 27 Prozent nur knapp halb so groß.

Noch drastischer fällt der Vergleich im Alter aus. Laut OECD beziehen Männer eine fast doppelt so hohe Rente wie Frauen. In keinem anderen Land ist der Unterschied so groß wie in Deutschland. Auch das ist ein direktes Resultat geringerer Einkommen und fehlender Beitragszeiten, die sich aus strukturellen Benachteiligung und der Erbringung gesellschaftlich extrem wertvoller, aber unbezahlter Familienarbeit ergeben – der Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen etwa.

Die Schlechterstellung von Frauen – woran liegt’s?

Wir sehen also, dass Frauen nachweislich nicht zu den Starken in der Arbeitswelt gehören und dass diese Schlechterstellung auch massive Auswirkungen auf ihr gesamtes Leben hat – bis hin zur Altersarmut. Und immer noch geben sich viel zu viele Frauen selbst die Schuld an ihrer Position in der Arbeitswelt, halten sich selbst für mitverantwortlich an ihrer Lage. Doch bereits in der Kindheit wird durch die Vermittlung von stereotypen Rollenbildern das Fundament dafür gelegt, dass Frauen an ihrer Entfaltung gehindert werden. Denn typische „Frauenberufe“ sind deswegen so typisch, weil sie einer gewissen Rollenvorstellung entsprechen, die bewusst vermittelt wird.

Dass Frauen so oft von atypischer Beschäftigung betroffen sind, liegt an der enormen Ungleichverteilung von unbezahlter Arbeit und dass sie so eine schwächere Ausgangsposition haben. Das beginnt bei der Hausarbeit, geht über die Kindererziehung und endet bei der Pflege von Angehörigen – all das ist leider immer noch zum Großteil „Frauenarbeit“. Männer werden deswegen bei Einstellungsgesprächen auch nicht gefragt, wie sie den Beruf mit ihrer Familie vereinbaren wollen und ob sie zukünftig gerne ein Kind bekommen wollen. Diese Arbeit kostet viel Zeit und Energie und bleibt: unbezahlt.

Nicht zuletzt haben zahlreiche politische Maßnahmen zur sogenannten „Flexibilisierung“ – also die Deregulierung des Arbeitsrechts in den letzten 15 Jahren – hier sei führend die „Agenda 2010“ erwähnt, Tür und Tor für miese Jobs geöffnet. Sie hat junge und ältere Beschäftigte, sowie Frauen am härtesten getroffen. Denn gerade diejenigen die am Arbeitsmarkt strukturell benachteiligt werden und unter höherem Druck stehen, brauchen ein starkes Arbeitsrecht am meisten.

Etwa wenn sie beispielsweise als Beschäftigte im Einzelhandel, auf Abruf bereitzustehen haben und sich ihre Dienste „flexibel“ entlang der Bedürfnisse der Arbeitgeber anschaffen lassen müssen. Wann und wie oft sie arbeiten müssen ist bedarfsabhängig, sie müssen rund um die Uhr verfügbar sein, in der Erwartung, dass sie gebraucht werden. 1,5 Millionen, das entspricht sieben Prozent aller Arbeitenden in Deutschland, müssen auf Abruf bereitstehen, Sicherheit ist etwas was sie sich nur ausmalen können, sie liegt für sie in weiter Ferne. Das vermeintliche deutsche Jobwunder hat Millionen ein Leben an der Armutsgrenze beschert. Mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens müssen sie sich über die Runden schlagen, das sind circa 1070 Euro im Monat.

 Nicht hinnehmbar! Was können wir machen?

Nun, die Realität für viele Frauen in der Arbeitswelt ist also bitter. Immer noch. Wir sind dem aber nicht hilflos ausgeliefert, sehen uns nicht mit einem Naturgesetz konfrontiert, sondern mit Dynamiken, die wir absolut beeinflussen können – als Einzelne und vor allem im Kollektiv.

Beginnen wir in unserer direkten Lebenswelt: Das Fundament für unsere berufliche Entwicklung wird in der Kindheit und Jugend gelegt. Die Vorbilder die uns zur Verfügung stehen prägen uns ebenso wie die schulischen Rahmenbedingungen, in denen wir aufwachsen. Hier gilt es von Beginn weg der Vermittlung von Rollenklischees entgegenzuwirken. Frau können alles was auch Männer können!

Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass gerade sogenannte „Frauenberufe“ besser bezahlt werden. Es ist inakzeptabel, dass Arbeit schlechter entlohnt werden sollte, nur, weil sie überwiegend von Frauen verrichtet wird – und es ist auch kein Zufall, dass das gerade in Frauenbranchen so passiert. Hier gilt es bewusst gegenzusteuern, etwa in Tarifverhandlungen. Ein notwendiges Instrument ist die verpflichtende Einkommenstransparenz, für alle. Wir müssen sicherstellen, dass die gleiche Arbeit auch gleich entlohnt wird. Frauen müssen wissen wieviel ihre Kollegen verdienen, damit sie nicht über den Tisch gezogen werden. Die Mär von der „besseren Verhandlungsführung“ der Männer gehört endlich zu Grabe getragen und das System der männlichen Seilschaften durch Transparenz offengelegt und zwar verbindlich.

Einen großen Einflussfaktor stellt auch die unbezahlte Arbeit dar. Hier gilt es etwa bei geteilter Elternzeit anzusetzen. Und zwar so, dass sie auch umgesetzt wird – also mit Vergünstigungen für jene, die sich die Verantwortung für ihre Kinder auch teilen. Weil es nicht zum Loch im Familieneinkommen führen darf, wenn Papa daheimbleibt. Er macht es sonst eher nicht. Zeiten in denen Kinder erzogen oder Angehörigen gepflegt werden, müssen eine Anrechnung bei den Beitragszeiten in der Rente finden. Und zwar zur Gänze. Denn diese so wichtige Arbeit ist nicht nur oft unbedankt, sie schadet Frauen auch noch dafür, dass sie sich einsetzen. Und es kann nicht in unserem Interesse sein, dass solidarisches Handeln bestraft wird. Im Gegenteil, es muss sich lohnen und mit Absicherung verbunden sein, sich um seine Nächsten zu kümmern.

Es gibt also eine Vielzahl von ganz konkreten Maßnahmen, um die Stellung von Frauen in der Arbeitswelt zu verbessern. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Das setzt ein entsprechendes Bewusstsein über die Handlungsmacht von Frauen voraus. Und die organisierte Umsetzung – etwa im gewerkschaftlichen Verbund. Denn vieles von dem, was wir heute als selbstverständlich betrachten, war vor 100 Jahren noch die pure Utopie. Und doch wurde es erkämpft. Auch heute sehen wir uns großen Herausforderungen gegenüber und brauchen ebenso visionäre wie mutige Ansätze um sicherzustellen, dass Frauen nicht länger die Beschäftigten zweiter Klasse sind. Dafür müssen wir kämpfen, geschenkt werden wird uns nichts!

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