Raus aus der sozialen Hängematte liebe Industrie!

Arbeitsmarktpolitik muss sich mit Sicherheit, Zeit und Geld beschäftigen, statt mit der Schikane von Erwerbslosen

Inzwischen ist es schon Jahre her, seit von Seiten der Regierung auch nur eine einzige sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung der Situation am österreichischen Arbeitsmarkt getroffen wurde. Während die Politik es verabsäumt ihre Arbeit zu machen, geht es für die Beschäftigten, ihre Angehörigen und den Arbeitsmarkt bergab. Obwohl kaum ein Bereich so wichtig für die Lebensqualität der Bevölkerung, den Erhalt und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, den Sozialstaat, Armutsbekämpfung oder Integration und Sicherheit ist, wie der Arbeitsmarkt, ist die Regierung auf zwei Augen dafür blind. Anstatt ihrer Verantwortung nachzukommen und Leistungsbereitschaft zu zeigen, begnügt sie sich mit Schikanen von Erwerbslosen, die niemanden helfen, jedoch noch weiteren Schaden anrichten. Dabei gäbe es dringenden Handlungsbedarf und eine ganze Palette an Lösungen, von denen nicht nur die Beschäftigten, sondern letztendlich alle profitieren würden und die es nur endlich anzugehen bräuchte!

Aus aktuellem Anlass – um genauer zu sein dem Ruf der Industriellen Vereinigung nach schärferen Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslosengeld Beziehende, dem die neue Wirtschaftsministerin und Kanzler Kurz schnellstens gefolgt sind – drängt sich als Erstes die Anzahl der als arbeitslos gemeldeten auf. Es ist ein mehrfach bewiesener Fakt, dass weiterte Sanktionen und erhöhter Druck nicht zu weniger Erwerbslosen und neuen Arbeitsplätzen führen. Dass die ÖVP falsche Begründungen vorschiebt um ihren WahlkampfspenderInnen eingeschüchtertes Personal für Dumpinglöhne zuzuschieben offensichtlich. Was jedoch tatsächlich die Zahl der Erwerbsarbeitslosen innerhalb kürzester Zeit stark reduzieren würde, ist eine neue Gewichtung der Arbeitgeber-Beiträge für die Arbeitslosenversicherung! Warum? Weil das AMS jährlich rund 500 Millionen Euro für Arbeitslosengeld für von Unternehmen „zwischengeparkten“ Beschäftigten ausgeben muss, die dann nach kurzer Zeit ohnehin wieder angestellt werden. 

Unternehmen entledigen sich inzwischen systematisch ihres wirtschaftlichen Risikos und maximieren ihre Profite, indem sie ihre unternehmerische Verantwortung auf die Beschäftigten und steuerzahlende Allgemeinheit abschieben. Es handelt sich dabei weder um einzelne „schwarze Schafe“ unter den Unternehmen, noch sind es nur Betriebe die saisonbedingt eine unterschiedlich hohe Anzahl an Personal benötigen. Dieses unternehmerische Schmarotzen und schaukeln in der sozialen Hängematte wird in allen Branchen betrieben. Beispielweise werden auch vermehrt im Dienstleistungsgewerbe und den Bereichen „Verkehr und Lagerei“, „Kunst, Unterhaltung und Erholung“, „Grundstücks- und Wohnungswesen“, sowie „Wasser-, Abwasser- und Abfallentsorgung“ relativ häufig Beschäftigungsverhältnisse beendet, und nach kurzer Arbeitslosigkeit dieselben Beschäftigten wiedereingestellt.Im Jahr 2017 verursachten Unternehmen durch diese Personalpolitik einen ganzen Prozentpunkt der Arbeitsosenquote, sie sind damit für rund ein Achtel der Gesamtarbeitlosigkeit verantwortlich! In anderen Ländern müssen solche Unternehmen auch dementsprechend höhere Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen – das ist nicht nur gerecht, es führt wenig überraschend auch zu einer schnellen Reduktion Erwerbslosen. 

Grundsätzlich werden die Kosten der zunehmenden Unsicherheit unserer Arbeitsverhältnisse massiv unterschätzt. Unser gesamtes Steuer- und Abgabesystem, sowie der Sozialstaat fußen auf dauerhaften, langjährigen und stabilen Arbeitsverhältnissen. Das beginnt schon damit, dass sich unsere Gehälter und somit auch Sozialversicherungs- und Lohnsteuerbeiträge an der Dauer unserer Beschäftigungsverhältnisse orientieren. Umso länger wir in einem Unternehmen arbeiten, desto höher wird unser Gehalt. Das mittlere Bruttojahreseinkommen von Beschäftigten die bis zu drei Jahre durchgehend in einem Unternehmen arbeiten, beträgt in Österreich 38.756 Euro, das von Beschäftigen, die schon über 20 Jahre durchgehend beschäftigt sind 62.837 Euro! Doch leider profitieren davon immer weniger, weil kurzeitige und befristete Dienstverhältnisse, sowie Leiharbeit seit 2012 stark angestiegen sind. Rund ein Drittel aller Beschäftigten ist „atypisch“, also mit keinem unbefristeten Vollzeit-Arbeitsvertrag beschäftigt und wird dadurch um rund 25 Prozent schlechter bezahlt als „normal“ Beschäftigte. Dabei gebe es, um dem entgegenzuwirken durchaus einfache Lösungen. So wäre es beispielweise sinnvoll befristete Dienstverträge nur mit einer sachlichen Rechtfertigung und abhängig vom erforderten Qualifikationsniveau für die jeweilige Stelle zuzulassen. Leiharbeitsverhältnisse müssten nur auf einen kleineren Anteil von maximal 10 Prozent der Gesamtbelegschaft beschränkt werden und fallweise Beschäftigung könnte überhaupt auf nur wenige Branchen reduziert werden. 

Alleine die ersten beiden beschriebenen Maßnahmenpakete könnten das AMS und die Allgemeinheit schon stark entlasten und gleichzeitig zu besseren Arbeitsbedingungen führen. Würde zusätzlich erstmalig seit über dreißig Jahren endlich wieder unsere gesetzliche Arbeitszeit reduziert und so die bereits vorhandene Erwerbsarbeit sinnvoller und gerechter auf mehr Menschen verteilt, wäre ein weiterer großer Wurf gelungen. Es ist inakzeptabel und beschämend, dass im Jahr 2020 immer noch der Großteil der unbezahlten Arbeit an Frauen hängen bleibt, während Männer sich von Überstunde zu Überstunde hanteln. 250.000 Teilzeitbeschäftigte Frauen in Österreich würden gerne länger arbeiten, bekommen aber keine Möglichkeit dazu und landen deswegen mit ziemlicher Sicherheit in der Altersarmut. Gleichzeitig wird in kaum einem EU Land so übertrieben und ungesund lange gearbeitet wie bei uns – unserer Erwerbsarbeit ist so dermaßen schlecht verteilt, dass es nachteilig für beide Geschlechter, die Familien, die Wirtschaft, den Sozialstaat und jedeN einzelneN von uns ist. Wir brauchen endlich kürzere Arbeitszeiten und zwar am besten schon gestern, aber keinesfalls erst morgen!

Und wir brauchen Einkommen, von denen es sich auch Leben lässt. Und zwar gut leben und nicht nur überleben lässt. Wer sich erwartet, dass ein Koch oder eine Hotelfachfrau die eigenen Angehörigen verlässt und in ein anderes Bundesland geht nur um zu arbeiten, der sollte zumindest dazu bereit sein ihnen ein Gehalt zu zahlen, mit dem sich ihr zubereitetes Essen im Restaurant oder ein Zimmer in ihrem Hotel auch selbst leisten können. Schließlich muss die Allgemeinheit ja auch konsumieren können was sie erzeugt, das wäre wenigstens wirtschaftlich und nicht nur eigenützig gedacht, so wie wir es uns von unserer Regierung eigentlich erwarten können sollten. Also organisieren wir uns und zeigen wir der Regierung was sie zu tun hat!

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