Gespaltene Löhne – gespaltene Gesellschaft
Ein tiefer Spalt zieht sich durch den österreichischen Arbeitsmarkt. Nicht nur die Vermögen sind extrem ungleich verteilt, auch zwischen den Gut- und Schlechtverdienenden bildet sich eine Kluft. In den letzten zehn Jahren entwickeln sich die Löhne zunehmend auseinander. Der Grund: Es gibt zwei Gruppen Beschäftigter am Arbeitsmarkt. Jene, die ordentliche und steigende Einkommen haben – und jene, die prekär beschäftigt sind und deren Jobs schlecht bezahlt sind.
Als wären Unsicherheit und Perspektivenlosigkeit nicht belastend genug für die wachsende Gruppe der prekär Beschäftigten, werden sie wesentlich schlechter bezahlt als stabil Beschäftigte. Im Durchschnitt verdienen sie um ein Viertel weniger im Monat.
Beispielweise verdienten Beschäftigte, die über ein Jahr durchgehend den gleichen Job hatten, im Mittel rund 2.400 Euro ohne Sonderzahlungen pro Monat, während Kurzzeit-Beschäftigte sich mit nur rund 1.800 Euro abfinden mussten. Das entspricht bei den mittleren Einkommen in Österreich also einer gewaltigen Lohndifferenz von rund 600 Euro – und diesen Unterschied spüren Beschäftigte ordentlich!
WER PREKÄR ARBEITET, WECHSELT HÄUFIGER DEN JOB
Für diese tiefe Kluft zwischen den Einkommen gibt es mehrere Ursachen. Prekär Beschäftigte wechseln nicht nur häufiger ihre Jobs, sie wechseln auch zwischen den Branchen. So wird beispielsweise ein paar Monate lang gekellnert, dann nach einer Zeit in ein Callcenter gewechselt, gefolgt von einer Zeit bei einer Personal-Leasingfirma, um dann in einem Lager zu arbeiten.
Unsere Kollektivverträge sind jedoch darauf ausgerichtet, dass das Gehalt mit der Dauer der Beschäftigung in der jeweiligen Branche steigt. Berufserfahrung wird also belohnt, Vordienstzeiten werden bei der Einstufung in die Gehaltsgruppen angerechnet. Wer in einer neuen Branche zu arbeiten beginnt, startet wieder am Anfang.
Löhne steigen zudem mit der Dauer einer Anstellung in einem Unternehmen. Alle paar Jahre gibt es Gehaltssprünge und jährlich erfolgen Lohnerhöhungen durch Kollektivvertragsverhandlungen. Wer jedoch immer nur für ein paar Monate angestellt und dann wieder vor die Tür gesetzt wird, kann von diesen Gehaltserhöhungen nicht profitieren.
Deswegen sind die Löhne von stabil Beschäftigten in den letzten zehn Jahren inflationsbereinigt um rund 7 Prozent gestiegen, während die der prekär Beschäftigten stagnierten oder sogar gesunken sind.
DIE HÄLFTE ALLER BESCHÄFTIGTEN ARBEITET IN UNSICHERHEIT UND WIRD SCHLECHT BEZAHLT
Während prekär Beschäftigte häufig alle paar Monate ihren Jobs wechseln und mehrmals pro Jahr eine neue Arbeit aufnehmen müssen, nur um sie bald wieder zu verlieren, arbeitet rund die Hälfte der anderen Beschäftigten in sicheren Arbeitsverhältnissen. Diese Hälfte, die sich zu den Glücklichen am Arbeitsmarkt zählen kann, ist laut statistischen Daten bereits mehr als drei Jahre durchgehend beim gleichen Arbeitgeber angestellt. Sie haben die Möglichkeit, Pläne zu schmieden und ihr Leben zu leben ohne Angst vor einem Jobverlust haben zu müssen.
Seit dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2009 ist rund ein Drittel aller Beschäftigten in Österreich nicht einmal ein Jahr durchgehend beim gleichen Arbeitgeber gemeldet und somit nur unsicher beschäftigt, Tendenz steigend.