Etikettenschwindel „Arbeitslosengeld Neu“: Regierung plant System Hartz 4 für Österreich
Es drohen schmerzhafte Einschnitte bei der sozialen Absicherung, die nicht weniger umfassen, als ein Angriff auf Rechte, Würde & Eigentum von Arbeitslosen. Eckpunkte sind ihre Bestrafung, Disziplinierung und letztlich Enteignung. Gleichzeitig wird das Budget der aktiven Arbeitsmarktpolitik des AMS um ein Drittel gekürzt und die schwierige Ausgangssituation für Arbeitssuchende weiter erschwert.
Im Dezember 2017 kamen auf 443.481 Arbeitssuchende nur 54.818 offene Stellen, im Schnitt also mehr als acht BewerberInnen auf einen freien Arbeitsplatz. Es gibt also schlicht nicht genug freie Stellen für alle Arbeitssuchenden. Besonders leiden darunter ältere Menschen, junge BerufseinsteigerInnen und Menschen mit Migrationsgeschichte, weil sie es bei der Arbeitssuche am schwersten haben. Und auch für Erwerbstätige hat dies mitunter spürbare Konsequenzen. Steigender Leistungsdruck und forcierte Konkurrenz unter der Belegschaft, drängen Beschäftigte dazu, zunehmend unter prekären Bedingungen zu arbeiten. Weil ein mieser Job immer noch besser ist, als kein Job. Weil sich die meisten eben nicht „durchschummeln“ wollen, wie ÖVP und FPÖ das unterstellen, sondern arbeiten wollen.
Atypische Beschäftigungsformen wie befristete Verträge, Leiharbeit, Scheinselbstständigkeit und Teilzeit sind auf dem Vormarsch. Über ein Drittel der unselbstständig Erwerbstätigen ist nur „instabil beschäftigt“, sie arbeiten nicht einmal ein Jahr durchgehend beim gleichen Arbeitgeber.[1] Über zehn Prozent der Beschäftigten befürchten daher nicht ganz unbegründet, dass sie innerhalb der nächsten sechs Monate ihren Arbeitsplatz verlieren werden, unter den 15 bis 24-Jährigen sind es fast 16 Prozent.[2] Diese Situation wird die Regierung mit ihren Maßnahmen weiter verschärfen.
Leistungskürzungen, Enteignung und weitere Zumutungen
Doch anstatt diejenigen, die es auf der Suche nach Arbeit besonders schwer haben zu unterstützen, streicht die Regierung Förderprogramme wie zuletzt die „Aktion 20.000“ und kürzt dem AMS das Budget für die aktive Arbeitsmarktförderung insgesamt sogar um ein Drittel. Und als wäre das für Arbeitslose nicht bereits schlimm genug, folgt laut Regierungsprogramm nun Bestrafung statt Hilfe. Die Zumutbarkeitsbestimmungen sollen verschärft, der Berufsschutzes aufgehoben und die Notstandshilfe durch die Mindestsicherung ersetzt werden.
Das bedeutet, dass Arbeitslose, die nicht schnell genug einen neuen Job finden, durch die Streichung der Notstandhilfe künftig ihren gesamten Besitz verlieren könnten. Denn der Bezug der Mindestsicherung beinhaltet auch den Zugriff des Staats auf das private Vermögen. Die eigene Wohnung oder das kleine Haus, das Familienauto, das Ersparte – alles was über der jederzeit absenkbaren Grenze von je nach Bundesland rund 4.200 Euro liegt, kann für den Bezug der Mindestsicherung gegengerechnet werden. Bislang verhinderte die Notstandshilfe, dass Menschen in Notlagen und ältere oder kranke Arbeitslose ihr Eigentum und wichtige Beitragszeiten für die Pension verlieren. Durch die verschärften Zumutbarkeitsbedingungen sollen künftig Anfahrtszeiten von bis zu zwei Stunden zum Arbeitsort oder gar der Umzug ans andere Ende Österreichs als zumutbar gelten.
Die angedachten Maßnahmen stürzen potentiell Hunderttausende ins Elend und fördern durch scharfen Druck auf Arbeitslose und Beschäftigte, die weitere Ausbreitung von schlecht bezahlten und prekären Arbeitsverhältnissen. Die Folgen sind bereits in Deutschland dokumentiert: Verhärtete Langzeitarbeitslosigkeit, ein boomender Niedriglohnsektor und steigende Armut. Knapp 170.000 Personen bezogen 2016 im Schnitt in Österreich 750,30 Euro Notstandshilfe, für sie würde die Kürzung einen Einkommensverlust von bis zu 2300 Euro pro Haushalt bedeuten. Wollen wir das wirklich?
[1] WIFO – Segmentierung des Arbeitsmarktes und schwache Lohnentwicklung in Österreich 2017
[2] Eurofound 2015 (Europäisches Statistisches Datenamt)